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14.11.2023

Erklärung zu einer persönlichen Entscheidung des Bürgermeisters St. Peter-Ording

Sehr geehrte Damen und Herren,

vor etwa zwei Wochen habe ich mich - wie jedes Jahr um diese Zeit - für ein paar Tage in völliger Abgeschiedenheit in Klausur begeben. Ich nutze diese Auszeit, um Erlebtes Revue passieren zu lassen, zur Ruhe zu kommen und mich neu auszurichten. Diesmal gab es in der Abgeschiedenheit auf Berg Moriah bei Koblenz besonders viel aufzuarbeiten.

Hinter mir liegen turbulente Wochen und Monate als Bürgermeister der Gemeinde St. Peter-Ording, die mit dem auf der Einwohnerversammlung initiierten, letztlich aber gescheiterten Abwahlverfahren ihren vorläufigen Höhepunkt fanden.

Zudem holt mich - und das wissen nur sehr wenige - gerade meine Vergangenheit aus dem krisengeschüttelten Ahrtal wieder ein. Die Rufe aus meiner von der Flutkatastrophe so schwer getroffenen Heimat sind zuletzt wieder spürbar lauter geworden. Beim noch viele Jahre dauernden Wiederaufbau soll ich als erfahrener Projektentwickler und Projektsteuerer mit anpacken und helfen. Auch das berührt mich sehr, viele Erinnerungen kommen derzeit wieder hoch.

Liebe Gemeindevertretung, in diesen Tagen des Rückzugs und der Besinnung haben mich zwei zentrale Fragen beschäftigt: Habe ich in meiner Funktion als Bürgermeister noch die Rückendeckung, die ich brauche, um den vor uns liegenden, teils sehr großen Herausforderungen gerecht zu werden? Und kann ich die nach wie vor kritische Situation im Ahrtal und die damit einhergehenden Hilferufe und Angebote einfach ausblenden?

Die Antwort auf diese beiden Fragen lautet nein und deshalb bin ich nach reiflicher Überlegung zu dem Entschluss gekommen, mein Amt als Bürgermeister mit Wirkung zum 1. März 2024 zur Verfügung zu stellen.

Meine Damen und Herren, selten habe ich mich mit einer Entscheidung so schwer getan wie mit dieser. Als ich mich im Frühjahr 2021 in unbeschwerter Aufbruchstimmung auf den Weg von Bad Neuenahr nach St. Peter-Ording machte, um am 1. Mai mein Amt als Bürgermeister anzutreten, war ich voller Vorfreude und Tatendrang. Ich hatte große Lust etwas ganz Neues anzufangen in einer wunderschönen Region mit tollen Menschen, die ich über Jahrzehnte hinweg durch private Aufenthalte kennen- und schätzengelernt hatte.

Damals ahnte ich noch nicht, dass nur zwei Monate später eine Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes meine alte Heimat heimsuchen würde. Ein dramatisches Ereignis, bei dem viele Menschen - darunter auch Familie und Freunde - den Tod fanden und ein ganzer Landstrich dem Erdboden gleich gemacht wurde. Dem ersten Impuls zur sofortigen Rückkehr in die Heimat bin ich damals nicht gefolgt. Ich hatte mich entschieden, alle Kraft und Energie in die Zukunft meiner neuen Wahlheimat St. Peter-Ording zu stecken.

Das Amt des Bürgermeisters habe ich gerne ausgeübt. Ich habe hier beim Amtsantritt ein gut bestelltes Feld vorgefunden. Dennoch war mir vom ersten Moment an klar, dass die erfolgreiche Zukunft von SPO kein Selbstläufer wird. Ein „weiter so“ konnte es nicht geben, wichtige Weichen mussten gestellt werden.

Große Themen wie der Fachkräftemangel, bezahlbarer Wohnraum, die Verkehrsproblematik, die Digitalisierung und eine nachhaltige Entwicklung von Gemeinde und Tourismus verlangten nach schnellen und zukunftsorientierten Lösungen. Gewaltige Herausforderungen, die - liebe Gemeindevertretung - uns alles abverlangen und nur im gemeinsamen Schulterschluss zu meistern sind.

Dies unter Führung eines starken Bürgermeisters, der die Gremien, die Politik, die Gewerbetriebe und natürlich auch die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hinter sich weiß. Aber ist das noch der Fall? Da habe ich meine Zweifel.

Auch wenn das angestoßene Abwahlverfahren letztlich gescheitert ist und mir viele Menschen aus Politik, Gemeinde und Gewerbe den Rücken gestärkt haben, haben mich die Ereignisse der letzten Wochen nachdenklich gemacht. Wenn man mehr negative Energie in Abwehrschlachten stecken muss, als positive Energie in zukunftsweisende Projekte stecken zu können, muss man sich als Bürgermeister schon die Frage stellen, ob man noch der Richtige für diese Aufgabe ist. Meine Antwort kennen Sie.

Für die zurückliegenden zweieinhalb Jahre bin ich sehr dankbar. Ich möchte sie um keinen Preis missen. Es war eine spannende Zeit, in der ich viele großartige Menschen kennenlernen durfte. Wenn ich am 1. März gemeinsam mit meiner Frau ins Ahrtal zurückkehre, um dort eine neue Aufgabe zu übernehmen, dann gehe ich ohne Groll und mit vielen fantastischen Erinnerungen.

St. Peter-Ording ist - das kann ich aus voller Überzeugung und mit ganzem Herzen sagen - zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich fühle mich den Menschen und der Region sehr eng verbunden und werde SPO natürlich als Urlauber und Stammgast weiterhin die Treue halten.

Ich bedanke mich bei Ihnen für ihr Vertrauen und die gute Zusammenarbeit und sage herzlichen Dank für die vielen schönen Erlebnisse und Begegnungen. Die kommenden Monate werde ich nutzen, um die Zeit der Vakanz und den Übergang für meinen Nachfolger bestmöglich vorzubereiten.

Herzlichen Dank für alles!

Jürgen Ritter
Bürgermeister St. Peter-Ording