Gleichstellungs-ABC
Hallo Frau Arndt, in dieser Ausgabe des Eiderkuriers ist bei unserem Amts-ABC der Buchstabe „G“ an der Reihe. „G“ wie Gleichstellung. Sie sind seit 2020 die erste hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Verwaltungsgemeinschaft des Amtes Eiderstedt und der Stadt Tönning. Gibt´s bei Ihnen auch ein ABC, - ein „Gleichstellungs-ABC“?
Ja tatsächlich! Die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten für eine so weite Fläche – alle Eiderstedter Gemeinden zwischen St.Peter-Ording und Tönning umfassend - sind sehr komplex und herausfordernd. Meine Aufgaben und Themen in Bezug auf die Bürgerinnen (und Bürger) kann ich wirklich mit Hilfe von ABC-Stichworten skizzieren; - dabei lasse ich einfach mal die Themen, mit denen die Bürgerinnen bisher an mich heran getreten sind oder die, bei denen ich meine, dass sie bedeutsam sein können, Revue passieren. Manche Stichworte sind selbsterklärend, andere führe ich etwas aus. Und bei Fragen oder Anregungen dazu, melden Sie, liebe Eiderstedterinnen und Eiderstedter, sich gerne bei mir!
Los geht’s:
A wie Artikel 3, Absatz 2 unseres Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frauen und Männer und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“. Dieser Artikel ist die wichtigste Arbeitsgrundlage der Gleichstellungsbeauftragten.
B wie Bücher in meinem Oldensworter Büro. Meine „Bücherei“ umfasst eine ganze Bandbreite von Themen: Frauenbiografien, Frauengeschichte, Bücher zur Frauengesundheit, zum internationalen Frauentag, zur Geschichte des Feminismus, zum Bereich „Gewalt an Frauen“, zum Rollenbild und zu Rollenklischees, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Thematik Frauen in der Politik. Alle Bücher können gerne von interessierten Eiderstedterinnen und Eiderstedtern ausgeliehen werden.
C wie Chancengleichheit
D wie Doppelbelastung
E wie Emanzipation. Dazu ein mit einem Augenzwinkern zu verstehender Spruch von Heidi Kabel: „Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist“.
F wie Frauenwahlrecht. Im November 1918 wurde in Deutschland das Wahlrecht für Frauen ausgerufen und so konnten Frauen am 19.01.1919 bei der Wahl zur deutschen Nationalversammlung erstmals an die Wahlurnen treten.
G für Gewalt an Frauen. Margret Atwood sagte einmal: „Männer haben Angst, dass Frauen über sie lachen könnten. Frauen haben Angst, dass Männer sie töten könnten“. Und so dramatisch wie das klingt, ist es auch: In Deutschland ist jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben von physischer und/oder sexualisierter Gewalt betroffen, das sind mehr als 12 Millionen Frauen. Alle 4 Minuten erlebt eine Frau in Deutschland Gewalt durch Ihren Partner oder Ex-Partner. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Jährlich wiederkehrend wird mit dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen auf das Thema aufmerksam gemacht. Wir Gleichstellungsbeauftragten verteilen an diesem Tag mit Fachberatungsstellen und Polizistinnen Brötchentüten mit Infomaterial und Notrufkontakten. Wir wollen damit einerseits Betroffenen niedrigschwellig Hilfemöglichkeiten anbieten und andererseits die breite Bevölkerung sensibilisieren, Gewalt niemals zu tolerieren und bei Gewaltätigkeiten nicht weg zu sehen.
H wie Hepeating. Der Begriff „Hepeating“ setzt sich zusammen aus „he“=er und „repeating“=erklären und bezeichnet das Phänomen, dass Gesagtes, wenn es von einer Frau gesagt wurde, oftmals nicht gehört wurde oder es wird gar nicht darauf eingegangen. Wiederholt dann allerdings ein Mann das vorher von der Frau Gesagte, wird der Mann gehört und auf ihn reagiert.
I wie internationaler Frauentag. Seit dem Jahr 1921 wird der Frauentag weltweit am 8. März gefeiert. In diesem Jahr habe ich die Mezzosopranistin Stefanie Golisch ins DünenHus in St.Peter-Ording eingeladen. Sie präsentiert ihr Musikprogramm 'Der lange Weg der Emanzipation'. Merken Sie sich schon einmal den Abend des 15.3. dafür vor!
J wie Ja sagen zu Herausforderungen
K wie K.O.-Tropfen. Unter dem Begriff K.O.-Tropfen werden verschiedene Substanzen zusammengefasst, die anderen Personen unbemerkt verabreicht werden, und zwar mit dem Ziel, sie in einen willen- und wehrlosen Zustand zu versetzen. Die Tropfen sind geruchs- und geschmacklos und deshalb in Getränken nur schwer zu bemerken. Schutz bieten sogenannte Drinkcheck-Armbänder oder auch „Spikeys“. „Spikeys“ werden in den Flaschenhals gedrückt und in Kombination mit einem Strohhalm können sie das Getränk vor einer schnellen Zugabe von K.O.-Tropfen sichern. Beide Handouts liegen bei mir im Büro zum Abholen bereit. Weitere Infos sind unter den Stichworten „Gleichstellung“ und dort unter „Aktuelles“ auf der Homepage des Amtes Eiderstedt zu finden.
L wie Life-Work-Balance
M wie Menschenrechte. Frauenrechte sind Menschenrechte; 1979 schrieb dies die Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) im „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ nieder. Wie Artikel 3, Abs.2 GG eine der Grundlagen unserer Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte.
N wie Netzwerken. Sich austauschen, beraten und unterstützen gehört zu meiner Arbeit wie „Butter bei de Fische“. Und das kann auf vielfältige Weisen geschehen: So biete ich am 27.01. eine Fahrt nach Hamburg zur Ausstellung „Geniale Frauen“ im Bucerius Kunstforum an. Wir schauen uns an, was diese Künstlerinnen mit unserem Leben heute gemein haben. Und ein nicht zu unterschätzender „Neben“-Effekt der Fahrt ist die Zeit fürs Plaudern, Tratschen, Ratschen und Bummeln und vielleicht finden sich Gleichgesinnte, die sich auch zukünftig austauschen, beraten und gemeinsame Ideen verwirklichen.
O wie Oktober. Der Oktober ist der Monat, in dem auf die Erkrankung durch Brustkrebs aufmerksam gemacht wird. Heute sind die Genesungschancen von an Brustkrebs erkrankten Frauen sehr hoch, wenn der Krebs frühzeitig erkannt wird. Mit der Ausstellung „Komm wie du bist“ und Tagesworkshops habe ich 2022 das Thema platziert. Ein Bericht zum Nachlesen findet sich unter der Rubrik „Gleichstellung“ auf der Amtsseite des Amtes Eiderstedt.
P wie Politik braucht Frauen. Eine für alle attraktive und lebenswerte Gemeinde braucht alle! Auf kommunaler Ebene liegt aber der Anteil an Gemeinde- bzw. Stadtvertreterinnen nur bei durchschnittlich 23 % ; manche Räte sind sogar noch gänzlich „frauenfrei“, - da ist also noch viel „Luft nach oben“. Darum rufen wir Gleichstellungsbeauftragte mit vielfältigen Aktionen, Seminaren und Infoveranstaltungen vor anstehenden Wahlen Frauen auf, nicht „nur“ wählen zu gehen, sondern sich selbst in das politische Geschehen einzubringen.
Sie haben Interesse, kommunalpolitisch aktiven Frauen kennen zu lernen und sich auszutauschen? Lassen Sie uns einen Frauenstammtisch ins Leben rufen.
Q wie Quote
R wie Rollenstereotype. Rosarot und Himmelblau, kein Kind kommt mit diesen Farben zur Welt. „Das Entscheidende ist, die eigenen unbewussten Zuschreibungen wahrzunehmen“, sagt Frau Dr.Schmiedel von Pinkstinks Germany. Fällt ein Junge beim Radfahren hin, sagen wir „Ein Junge weint doch nicht, das hat doch gar nicht weh getan“; fällt ein Mädchen hin, nehmen wir das weinende Kind in den Arm… . Um einengende Geschlechterklischees zu verändern, gibt es in meinem Büro ein Medienkoffer zur geschlechtersensiblen Erziehung mit Bilderbüchern, Fachbüchern und Spielen. Gerne kann dieser Koffer von Kindergärten, Spielgruppen, Grundschulen und allen anderen Interessierten kostenlos ausgeliehen werden.
S wie Sexismus. Mit Sexismus ist die Bewertung, Benachteiligung/Diskriminierung oder auch die Bevorzugung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts gemeint (vgl.: Das Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“ / gemeinsam-gegen-sexismus.de). Von (Alltags)Sexismus sind überwiegend Frauen und Mädchen betroffen und: „er kommt überall vor“, so Felicitas von Kyaw., Geschäftsführerin in einem Telekommunikationsunternehmen, „auch am Arbeitsplatz. Das muss sich ändern. Ein wichtiger Schritt ist, offen darüber zu sprechen“.
T wie Toleranz
U wie unsichtbare Frauen. Frauen sind nach wie vor in der Öffentlichkeit viel zu wenig präsent, aber gerade diese Präsenz ist so bedeutsam im Hinblick auf Würdigung, Ehrung, Leistungsanerkennung und auf das Vorbildsein. Schauen Sie bspw. einmal in Ihrer Gemeinde, wie viele Straßen, Wege oder Plätze nach Frauen und wie viele nach Männern benannt sind. Da gibt es ein Verhältnis, dass nicht dem tatsächlichen Handeln, Können, Wirken und Vorhandensein von bedeutenden Frauen entspricht. Lassen Sie uns eine Handreichung erstellen mit Vorschlägen, die den politisch Verantwortlichen in Ihrer Gemeinde bei Benennungen hilfreich sein kann.
V wie Vielfalt
W wie wertvoll. In meinem Büro gibt’s ein handout, in dem Sie einen wertvollen Schatz entdecken können. Neugierig geworden? Kommen Sie vorbei oder rufen Sie mich an, dann ich schicke es Ihnen auch gerne zu.
X wie (wird noch ein Strich hinzugefügt)* . Dieses Sternchen, aber auch der Schrägstrich, Unterstrich oder der Doppelpunkt, wird aktuell von vielen Menschen im Rahmen einer genderfreundlichen Schreib- und Sprechweise benutzt, um alle Geschlechter - weiblich, männlich und divers - anzusprechen. Der Rat der deutschen Rechtschreibung hat im Dezember 2023 empfohlen solche Sonderzeichen im Wortinnern nicht in das „Amtliche Regelwerk“ der deutschen Rechtschreibung aufzunehmen. Der Rat bekräftigt aber, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und dies ist eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe sei. Im aktuellen Rechtschreibduden wird auf das Fehlen einer Norm für genderfreundliche Formulierungen hingewiesen, aber betont, dass das Deutsche eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren, bietet. Wer sich in dieses Thema vertiefen möchte, findet bei mir eine Fülle von Material.
Y wie You can do it
Z wie zusammen können wir die Welt gestalten.
Liebe Leserinnen und Leser, dieses ABC skizziert meine Arbeit im Bereich der Kooperation mit Bürgerinnen und Bürger.
Zwei weitere Bereiche meiner Arbeit sind die Tätigkeiten innerhalb der Verwaltung und die Zusammenarbeit mit Fachverbänden, Vereinen, Schulen, Kitas, usw. Zu letzterem gehört auch die Kooperation mit der Politik. Wenn Sie zu diesen Arbeitsfeldern Fragen haben, sprechen Sie mich gerne an.
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Gender Time Gap
Die Gender Time Gap beschreibt die Differenz der durchschnittlichen wöchentlich geleisteten Arbeitsstunden zwischen Männern und Frauen. Da Frauen aufgrund von geschlechterspezifischen Rollenerwartungen durchschnittlich weniger lange arbeiten, hat das beispielweise große Auswirkungen auf ihre Karriereaussichten und ihr Gehalt.
Vor der Krise gingen erwerbstätige Mütter im Vereinigten Königreich an einem Wochentag im Durchschnitt 6,3 Stunden einer bezahlten Arbeit nach; diese Zahl ist um mehr als ein Fünftel auf 4,9 Stunden gesunken. Die Arbeitszeit der erwerbstätigen Väter ist ebenfalls zurückgegangen, allerdings in geringerem Maße: von 8,6 Stunden vor der Krise auf 7,2 Stunden heute.
Quelle: Institute for Fiscal Studies
Gender Data Gap
Der Gender Data Gap entsteht dann, wenn bei wirtschaftlicher, gesellschaftlicher & medizinischer Datenerhebung die unterschiedlichen Geschlechter nicht gleichermaßen berücksichtigt werden. In vielen Fällen betrifft diese Gender Data Gap vor allem Frauen, die statistisch deshalb oftmals unsichtbar bleiben. Wie beispielweise in der Medizin, in der medizinische Diagnosen anhand von Männern festgelegt wurden oder auch Arzneimittel mit männlichen Probanden entwickelt werden.
Nur 60 von 193 Ländern (31%) melden der WHO derzeit Daten über COVID-19-Fälle nach Geschlecht und Alter.
Quelle: UN Women’s “From insights to action: Gender equality in the wake of COVID-19”
Gender Lifetime Earnings Gap
Der Gender Lifetime Earnings Gap misst die Geschlechterlücke im Lebenserwerbseinkommen zwischen Frauen und Männern. Der Wert wurde im Jahr 2016 erstmals für Deutschland berechnet und beträgt im Durchschnitt 49,8 % (BMFSFJ 2016).
Das Lebenserwerbseinkommen bezeichnet dabei das akkumulierte Einkommen zwischen dem Erwerbseinstieg und dem letzten Beobachtungsjahr einer Person nach mindestens 30 Jahren individuell beobachteter Erwerbsspanne. Ein zentraler Grund für das geringere Lebenserwerbseinkommen von Frauen ist die Auszeit im Erwerbsleben z.B. durch Familienplanung oder Wirtschaftskrisen.
Bei Müttern in Großbritannien ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie während der aktuellen Krise ihren Arbeitsplatz (vorübergehend oder dauerhaft) verloren haben, um 23 % höher als bei Vätern.
Quelle: Institute for Fiscal Studies; Boll, Jahn, et al. (2016)
Gender Care Gap
Der Indikator Gender Care Gap zeigt den unterschiedlichen Zeitaufwand, den Frauen und Männer für unbezahlte Sorgearbeit aufbringen. Der Gender Care Gap wurde mit dem Zweiten Gleichstellungsbericht für Deutschland erstmals berechnet und beträgt 52,4 % , d.h. erwachsene Frauen leisten anderthalbmal mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Dies entspricht im Durchschnitt täglich 87 Minuten.
Sorgearbeitstätigkeiten umfassen sämtliche Arbeiten im Haushalt und Garten, die Pflege und Betreuung von Kindern und Erwachsenen sowie ehrenamtliches Engagement und unbezahlte Hilfen für andere Haushalte. Unmittelbare Folge davon, dass Frauen mehr unbezahlte Sorgearbeit leisten, sind geringere Arbeitszeiten in gezahlter Erwerbstätigkeit und dadurch ein geringeres Lebenserwerbseinkommen (s.o.) oder auch ein geringeres Alterssicherungseinkommen (s.o.).
Die Covid-19 Pandemie hat den Anteil unbezahlter Sorgearbeit für Frauen erhöht: 37% der Frauen aus 22 Ländern weltweit haben angegeben mehr Zeit zum Kochen und Servieren von Mahlzeiten zu verbringen (Vergleich: nur 16% der Männer gaben hier eine Zeitzunahme an).
Quelle: UN Women’s “From insights to action: Gender equality in the wake of COVID-19”; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend